Erfahrungsbericht
eines Patienten im Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung
Opiatabhängiger
An
alle die es Wissen sollten:
Diamorphin Substitution
Bevor
ich in die Ambulanz IV kam war ich einer von vielen Junkies
die ihren Tag damit zubrachten das Geld für den nächsten
Drug zu besorgen.
In der Wahl der Mittel war ich da nicht besonders anspruchsvoll:
klauen, einbrechen, lügen, betrügen und zu guter letzt Raub.
Wenn die Sucht zuschlägt und es hat dich erwischt, bist
du nicht mehr sehr anspruchsvoll. Sogar mit dealen habe
ich es mal versucht, obwohl das in meiner Werteskala das
allerletzte ist, denn ich habe jeden Tag die Opfer der Dealer
vor Augen. Es hat mir immer in der Seele wehgetan zu sehen,
wie fast noch Kinder völlig dumm und naiv in ihr Verderben
rannten und zukünftig die Werkzeuge von irgendwelchen scheinheiligen
Dealern wurden.
Kleine
Kinder die sich auf der Strasse verkaufen. Jungs die von
Diebstahl und allem was sich bietet leben und dabei langsam
vor die Hunde gehen. Ja selbst das habe ich versucht, damit
ich nicht mehr klauen, lügen und betrügen musste. Dreißig
Jahre bin ich jetzt drauf und leide an einer unheilbaren
Krankheit, geächtet von dieser intoleranten Gesellschaft,
die mich bisher immer nur verfolgte und gejagt hat. Als
ich den ersten Tag in der Ambulanz saß und das große Los
gezogen hatte, sagte ich: Und das nach 26 Jahren!
Jahre
in denen Freunde starben, Jahre die ich im Gefängnis verbracht
habe. 15 Jahre in denen ich immer nur gestraft wurde, weil
ich süchtig bin. Zum Schluss bin ich bewaffnet mit zwei
Pistolen und einer Handgranate in die Sparkasse. Alles oder
nichts war jetzt meine Devise und wenn es zum Äußersten
kommt verkaufe ich meine Haut so teuer wie möglich. Ich
hatte einfach keine Lust mehr, mich verarschen und demütigen
zu lassen. Nein dazu habe ich keine Lust und auch keine
Zeit mehr genug davon. Es waren schon zu viele Jahre die
ich wegen dieser Krankheit habe leiden müssen. Nun ja und
dann machte die Heroinambulanz auf und ich habe noch aus
dem Gefängnis raus an Prof. Dr. Krausz in Eppendorf geschrieben,
um meine Aufnahme ersucht. Ich bekam eine Absage mit dem
Hinweis, dass ich mich noch mal melden solle, wenn es soweit
ist, was ich dann auch tat.
Und
jetzt bin ich schon seit zweieinhalb Jahren in der Ambulanz,
konnte mir in der Zeit eine Wohnung suchen und diese auch
halten, da ich meine Miete nicht irgendwelche Dealern in
den Hals stopfen musste. Und auch gesundheitlich geht es
mir viel besser, da ich kein verschmutztes Heroin spritzen
muss. Das hat mich schon das rechte Auge gekostet und noch
mehr kann ich nicht, will ich nicht ertragen. Meine Frau
ist an den folgen der Sucht gestorben. Hat sich auf dem
Strich AIDS geholt. Nein ich will nicht mehr auf der Straße
landen, ich will ein ganz normales Leben und das trotz meiner
Sucht. Jeder Zuckerkranke darf das, warum also ich nicht?
Nur
wer mir Achtung Respekt und Verständnis entgegen bringt,
kann gleiches von mir erwarten. Und wer mich in den Schmutz
tritt, darf sich nicht wundern, wenn ich mit Dreck bewerfe.
Aber
das ist alles lange her und jetzt lebe ich ein ganz normales
Leben und bin gerade dabei mich mit einem kleinen Geschäft
selbstständig zu machen. Denn ich will auch Leben und mache
das was ich gut kann. Gelernt habe ich mal Elektriker und
so will ich einen An- und Verkauf mit kleiner Reparaturwerkstatt
aufmachen. Das ist viel Arbeit, aber das wird schon werden
und wenn es erstmal läuft dann kaufen sie vielleicht bei
mir Ihren nächsten Computer oder lassen Ihre Waschmaschine
bei mir reparieren. Immer noch besser als wenn ich irgendwelche
Diebstähle oder Raubüberfälle mache.
Ja
es ist wichtig für uns alle, dass dieses Projekt weiter
geführt wird, sehr wichtig - oder man könnte sagen lebenswichtig.
Auch wenn es für viele zu spät kommt, so wird es doch viele
retten, die ohne das Programm vielleicht schon morgen an
Ihrer Tür klingeln würden.
Ich
hoffe das Ihnen durch dieses Schreiben klar geworden ist
wie wichtig die Angelegenheit für mich ist. Wichtig für
uns und auch an die denken die krank sind.
Hamburg,
20.10.2005 Axel
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